Der Jubiläumsweg, den die Albvereinsortsgruppe Baltmannsweiler anläßlich des 3-fachen Ortsjubiläums eingerichtet hat, ist inzwischen als Rundweg mit einem eigenen Logo markiert. Auf unserer Homepage findet sich unter dem Button „Wanderwege“ eine kurze Beschreibung der Route. Im Ortsplan, der als PDF-Datei herunter geladen werden kann, ist auch der Streckenverlauf eingezeichnet.
Archiv für das Jahr: 2025
Der Spreewald ist mehr als Gurken und Schnaken
Am letzten Sonntag im April machte sich eine Gruppe des Schwäbischen Albvereins Baltmannsweiler auf den Weg in den Spreewald.
Auf der Anreise gab es nur die notwendigen Stopps, so dass die Reisegesellschaft am Nachmittag in Raddusch, dem Ziel der Reise, eintraf. Nach Zimmerverteilung und einer kurzen Kaffeepause blieb deshalb Zeit, die nähere Umgebung zu erkunden. Der Name des Hotels „Radduscher Hafen“ machte neugierig auf den „Hafen“. Der Naturhafen für die typischen Spreewald-Kähne, die in Ermangelung von Straßen als Verkehrsmittel auf den Fließen der Spree eingesetzt werden, lag nur wenige Schritte hinter dem Hotel in einer wunderschönen Auwald-Landschaft. Inzwischen sind die Kähne nicht mehr nur Verkehrsmittel, sondern auch eine Attraktion für Touristen.
Am nächsten Morgen stand eine Führung durch Straupitz auf dem Programm. Graf Houwald hochselbst führte durch seinen Ort und konnte viel aus der Geschichte der Grafschaft erzählen.
Der Ort wurde 1294 erstmals urkundlich erwähnt. 1655 bekam der ehemalige Tuchmachersohn General Christoph von Houwald durch seine Verdienste im Dreißigjährigen Krieg die Möglichkeit, den Marktflecken Straupitz als Mittelpunkt einer neun Orte umfassenden Standesherrschaft zu erwerben. Die Grafschaft kostete die stolze Summe von 63.000 Silbertalern. Im Nachhinein äußerte der Graf gegenüber seinem Förster Bedenken, ob er nicht vielleicht zu viel bezahlt habe. Der Förster entgegnete ihm: „Herr Graf nehmen Sie 63.000 Erbsen und legen Sie unter jeden Baum eine Erbse und Sie werden, wenn alle Erbsen verteilt sind, noch viele Bäume übrighaben“. So vermittelte der Förster dem Grafen, dass allein der Wert des Holzes den Kaufpreis rechtfertigte. Unter der Leitung des Grafen und seiner Nachfahren entwickelte sich Straupitz zu einem blühenden Marktflecken. Der Neubau der Kirche erfolgte nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel. Er war mit der gräflichen Familie befreundet und so kam es zum Vertrag mit dem damaligen „Stararchitekten des Klassizismus“. Der Kirchenbau war eigentlich nicht ganz legal, weil die Kosten für einen Sakralbau laut Gesetz nicht mehr als 24 Tsd. Taler betragen durften. Schinkel legte dem Kameralamt seine Kostenberechnung vor. Daraufhin erhielt er die Antwort, dass eine Kirche repräsentativ sein sollte und nicht einem Schuppen gleichen durfte, damit wurde der Endpreis von 30 Tsd. Talern höchst amtlich abgesegnet. Die helle Kirche in ihrer klassizistischen Eleganz wurde 1832 eingeweiht.
Der Stadtführer in Gestalt des Grafen Houwald vermittelte die Stadtgeschichte in sehr lockerer und ansprechender Art. Eine nette Überraschung war, dass der „Graf“ seine Gärtner angewiesen hatte, eine Kleinigkeit vorzubereiten, die darin bestand, dass die Teilnehmer eine knackige Spreewaldgurke und einen Likör verkosten durften.
Am Nachmittag ging es mit dem Förster durch die Lieberoser Heide. Die Lieberoser Heide ist eine eiszeitlich geprägte Moränenlandschaft, bewachsen von Kiefernwäldern und ausgedehnter Sandheide sowie nährstoffarmen Heidemooren und -seen. Auch hier taucht wieder der Name des Graf von Houwald auf. Er war einer der Besitzer der großen Waldfläche. Die Übernutzung des Waldes sorgte dafür, dass im 18. Jahrhundert eine Heidelandschaft entstand, die 1999 als Naturschutzgebiet „Lieberoser Endmoräne“ geschützt wurde. Die weite unbebaute Fläche diente lange als Truppenübungsplatz und war militärisches Sperrgebiet. Die Wanderer waren an Rampe 6, mit dem
Förster verabredet. Bei Rampe 6 handelt sich um die detailgetreue Nachbildung einer hölzernen Verladerampe. Sie ist eine von vielen Rampen, die auf der Kleinbahnstrecke zwischen Byhlen und Lieberose liegen, jedoch sind die anderen nur noch rudimentär zu erkennen. Rampe 6 wurde durch den engagierten Förster wiederbelebt. Einst diente sie vorrangig für den Transport verpresster Telegrafenmasten, Holz, Kies und Teerprodukten.
Am Abend fand für einige Unentwegte eine Nachtfahrt mit dem Kahn statt. Ein besonderes Naturerlebnis, den Stimmen der Nacht zu lauschen.
Am nächsten Tag konnten alle in Schlepzig den Kahn besteigen, um über die Fließe zu gleiten. Zur Entstehung der Fließe gibt es verschiedene Darstellungen. Eine davon erzählt, der Teufel hat gepflügt, die Ochsen wurden wild und rannten panisch davon. Dabei zogen sie mit dem Pflug die Wasserläufe durch den Wald. Die Kähne gleiten fast lautlos durch das Wasser. Zu hören sind nur Vogelstimmen – und natürlich das Geschnatter auf dem Kahn. Neben Myriaden von Schnaken wurden die Kahnfahrer auch von Libellen begleitet, die so ohne Scheu waren, dass sie sich den Kahnfahrern ans Revers oder auf die Hand setzten. Auf dem Wasser Enten und Gänse und im Wasser verschwanden Nutrias. Biber ließen sich nicht sehen, aber am Ufer Biberburgen und natürlich
die Nagespuren der Tiere, die ganze Bäume fällen.
Die Zahl der Schnakensticke ließ sich bei einer kleinen Wanderung durch den Buchenhain noch steigern. Aber die Schönheit der Natur, das Leuchten des jungen Grüns in vielen verschiedenen Farbnuancen rechtfertigte den Kampf gegen die Schnaken.
Vor der Rückfahrt ins Hotel blieb noch Zeit für die Besichtigung eines Spargelhofes, wo jetzt die Ernte in vollem Gange ist.
Ein besonderes Erlebnis war auch die Besichtigung des Braunkohletagebaus Welzow. Es hat im Laufe der Jahre mehrere Erweiterungen erlebt, wobei 9 Ortschaften untergingen. Der Abbau erstreckt sich nun über eine riesige Fläche von 85 Quadratkilometer. Die abgebaute Braunkohle ist noch heute ein wichtiger Brennstoff für die Stromerzeugung, wobei die Kohle in nahegelegenen Kraftwerken verbrannt wird. Braunkohle wird in der Region bereits seit 1860 abgebaut, damals vor allem als Brennstoff in Ziegeleien, Heizmittel in Glaswerken und Antrieb für eine prosperierende Textilindustrie. Die ergiebigen Vorkommen bei Welzow begründeten den Aufbau des einst größten Zentrums für Braunkohleveredlung Europas in Schwarze Pumpe. Derzeit wird das 2. Lausitzer Braunkohleflöz in 60 bis 120 Meter Tiefe abgebaut. Die Kohleschicht ist bis zu 15 Meter mächtig. Der Anblick des riesigen Eimerkettenschwenkbaggers, der ganze Landstriche umpflügt, lässt staunen. Was bleibt, wenn die Kohle aus dem Boden geholt ist, gleicht einer Mondlandschaft, die durch Rekultivierungsmaßnahmen wieder zum Leben erweckt werden muss.
Ein Stadtrundgang im schön sanierten Bautzen rundet den Tag ab. Der Dom St. Petri ist eine der größten Simultankirchen Deutschlands. Bereits1524 nach der Reformation wurde der Dom erste Simultankirche Deutschlands. Nach langen Streitigkeiten zwischen Lutheranern und Katholiken schlossen der Bautzener Rat und das Domstift 1543 einen Vertrag, der die Nutzung der Kirche durch beide Konfessionen regelte. Dabei wurde der Chor für den katholischen, das Langhaus für den evangelischen Gottesdienst bestimmt. Die Grenze verläuft am Lettner-Gitter. Die Aufteilung wurde auch im Grundbuch festgeschrieben, sodass die Eigentümergrenze mitten durch den Raum verläuft.
Der 83 m hohe Domturm kann an einigen Wochenenden bestiegen werden. Es sind 238 Stufen bis zum Aussichtsgeschoss über der Türmerstube. Das Türmerehepaar, inzwischen über 70, lebt nicht mehr dauerhaft dort oben, besteigt aber den Turm noch mehrmals in der Woche.
Eine alte Regel in der Stadt besagt, dass schlechtes Wetter aufzieht, wenn der Dom „orgelt“. Dem liegt zugrunde, dass aufgrund der Bauart des Kirchturms durch starken Wind ein stetiges Geräusch erzeugt wird, das wie ein Heulen klingt und in der Stadt weithin hörbar ist. Da stürmische Winde oftmals vor Beginn von Unwettern auftreten, wird das „Orgeln“ des Doms als Vorzeichen für Unwetter gesehen.
Auch bei der Jubiläums-Kulturfahrt des Albvereins in den Spreewald gehört das nahegelegene Elbsandsteingebirge und damit ein Besuch der Bastei zum Programm. Da der einzig mögliche Termin der 1. Mai war, war eine größere Besucherzahl zu erwarten. Allerdings wurde unsere Reisegruppe doch überrascht, von den Menschenmassen, die sich zwischen den Felsen bewegten.
Trotzdem gelang es, einige Blicke auf die Felsformationen hoch über der Elbe zu werfen. Auch die 2. Station, die Festung Königstein war gut besucht. Sie ist eine der größten Bergfestungen
in Europa und liegt inmitten des Elbsandsteingebirges auf dem gleichnamigen Tafelberg. Durch die Jahrhunderte diente die Festung Königstein als Garnison, Staatsgefängnis, Schatzkammer und Zufluchtsort. Sie wurde niemals in Kampfhandlungen erobert. Heute geben die teilweise über 400 Jahre alten Bauten einen Einblick in das militärische und zivile Leben auf der Festung.
Nach einem reichhaltigen Programm mit einer Fülle von Erlebnissen stand am Freitag bereits wieder die Rückreise an. Ein kurzer Einkehrschwung zum Mittagessen in der rustikalen Gaststube Torwache des Schlosshotels Klaffenbach bildete den Abschluss unserer schönen Reise bevor wieder alle Teilnehmer der diesjährigen Wander- und Kulturfahrt des Schwäbischen Albvereins Ortsgruppe Baltmannsweiler wohlbehalten im Schurwald ankamen. Den Organisatoren der Reise ein ganz herzliches Dankeschön für die gelungene Planung und Vorbereitung, die einen reibungslosen Ablauf ermöglichte.
rm